Lukje - 15 Jahre alt, denkt das über sich selbst
Triggerwarnung
Dieses Buch behandelt sensible Themen wie psychische Belastung, Einsamkeit und Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen.
Es richtet sich an Leser:innen, die bereit sind, sich auf diese Inhalte einzulassen.
Bei Unsicherheit oder akuten Belastungen empfehlen wir, das Buch nicht allein zu lesen oder professionelle Unterstützung zu suchen.
Für alle, die sich gerade verloren fühlen.
Die glauben, dass sie nichts wert sind, dass sie nichts ändern können.
Für alle, die nachts weinen und morgens so tun, als wäre nichts.
Du bist nicht unsichtbar.
Du bist nicht kaputt.
Und du bist nicht allein.
Auch die dunkelste Nacht ist nicht nur schwarz.
Und jeder neue Tag ist eine neue Chance.
Dieses Buch ist für dich.
Auszug aus dem Roman
Lost Place – ich sehe dich
*Manche Tage beginnen, bevor man bereit ist.*
Alles wie immer.
Und doch war sie kurz davor, auszuflippen. Ein einziger Moment noch – und sie würde explodieren. Stattdessen biss sich Lukje auf die Unterlippe, so fest, dass es brannte. Ihre Fingernägel gruben sich tief in die Innenflächen ihrer Hände. Jeder Muskel war angespannt. Nicht weinen. Nicht jetzt.
Er hatte sie vor der ganzen Klasse bloßgestellt. Schon wieder.
Sie hasste ihn.
Kann man jemanden hassen, der einem eigentlich egal ist?
Ja. Gerade hasste sie alle.
Wie immer hatte ihr niemand geholfen. Ein paar grinsten dämlich, manche kicherten. Und die anderen? Die starrten mit roten Wangen auf ihre Schuhe – froh, heute nicht selbst das Opfer zu sein.
Später, wenn sie wieder allein war – zu Hause, im Bett – würden ihr all die klugen Sätze einfallen. Die, mit denen sie ihn hätte zum Schweigen bringen können. Wie immer: zu spät.
Da rettete sie das schrille Klingeln der Schulglocke. Gerade noch rechtzeitig, bevor ihr die Tränen kamen.
Mit gesenktem Kopf riss sie die Jacke von der Stuhllehne, griff nach ihrer Tasche und stürmte aus dem Klassenraum.
Türen öffneten sich. Stimmengewirr. Kinderlachen. Lehrer, die riefen. Ihr unterdrücktes Schniefen ging darin unter.
Aus ihrer Klasse folgte ihr niemand. Nicht mit Blicken. Nicht mit Worten. So wichtig war sie dann wohl doch nicht.
⁂
Der Nachmittag war mild – fast zu mild für den frühen Sommer. Ein sanfter Wind spielte mit den frischen Blättern in den Bäumen. Doch Lukje hatte das Gefühl, jeden Moment zu ersticken. Ohne sich umzudrehen, rannte sie die Straße hinauf. Einfach weiterlaufen. Nicht stehen bleiben. Nicht nur, um Abstand zu gewinnen – sondern auch, weil sie sonst keine Luft mehr bekam.
Sie lief. Und die Tränen liefen mit. Mit jedem kleinen Rinnsal, das über ihre Wange auf die Jacke tropfte, wurde das Atmen leichter.
Nur weg hier. Rennen konnte sie längst nicht mehr – die Tasche war zu schwer, sie selbst zu unsportlich. Aber wenn sie ihre Mutter noch sehen wollte, bevor diese zum Spätdienst aufbrach, musste sie sich beeilen.
Der Schulbus hätte direkt vor dem Gymnasium gewartet – bequem, schnell, warm. Aber der war keine Option. Nicht heute.
Also blieb nur der Fußweg. Und der Wunsch, unterwegs niemandem zu begegnen.
Auszug aus dem Roman
Lost Place – ich sehe dich
*Manche Wahrheiten kommen nicht durch die Tür – sie brechen sie auf.*
Sabrina stand in der Tür. Zwei Tassen Tee in den Händen. Kamille. Wie jedes Mal, wenn sie nervös war.
„Hast du kurz Zeit?“, fragte sie. „Ich würde gern mit dir reden.“
Lukje saß auf dem Bett, Kopfhörer um den Hals, das Handy locker zwischen den Fingern. Sie hob den Blick, musterte ihre Mutter, dann nickte knapp. „Okay.“
Sabrina stellte die Tassen ab, setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Ihre Haltung war kontrolliert, aber ihre Augen verrieten sie. Sie wirkte, als hätte sie dieses Gespräch hundertmal geübt. Und immer vermieden.
„Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll“, begann sie leise. „Vielleicht damit, dass ich dir etwas verschwiegen habe. Und dass es mir wirklich sehr leid tut.“
Lukje sagte nichts.
„Du weißt ja ... es gibt da jemanden. In meinem Leben.“
„Ela“, sagte Lukje tonlos.
Sabrina erstarrte. „Woher ...“
„Mobbing ist manchmal schneller als Google. Und effizienter.“
Sabrina schloss kurz die Augen. „Ich wollte es dir selbst sagen. Bitte, das musst du mir glauben. Nie wollte ich dich einfach übergehen, aber ich hatte Angst. Große Angst davor, dass du mich nicht verstehst.“
„Ich lehne dich doch nicht ab …“, sagte Lukje ruhig. „Ich mag’s nur nicht, wenn man mich anlügt. Oder so tut, als wäre ich eine Vierjährige, die nicht merkt, was los ist.“
Und du mich jedes Mal vor vollendete Tatsachen stellst, dachte sie zu Ende.
„Ja“, sagte Sabrina leise. „Du hast recht. Bitte lass uns versuchen zu reden.“
„Und jetzt bist du ehrlich?“ Lukjes Frage klang schärfer, als sie das beabsichtigt hatte.
„Ich versuche, dir alle Fragen zu beantworten.“
„Seit wann geht das mit ... also mit Ela?“
Sabrinas Gesichtsfarbe wechselte. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Also ...“
Pause.
Lukje zog die Augenbrauen hoch. Ihre Mutter wand sich, und obwohl sie Mitleid hatte, hätte sich das alles vermeiden lassen. Vor Wochen schon.
„Wir kennen uns seit zwei Jahren.“
Lukjes Ohren rauschten. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Das war doch jetzt nicht wahr? Dann platzte es aus ihr heraus:
„Wow. Super, Mama. Bist echt ’ne Gute.“
Sie lachte – kurz, hämisch, ohne jede Freude.
„Du betrügst Papa seit zwei Jahren? Lässt ihn das Haus bauen, mich alles verlieren, was ich kannte – nur um dann abzuhauen? Nach Berlin? Mit ihr?“
Lukje zitterte vor Wut. Am liebsten hätte sie ihr die Worte ins Gesicht gespuckt.
„Du hasst mich, oder?“
„Lukje ...“
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Das Gesicht leichenblass, die Lippen bebend.
„Ich hatte mich von Ela getrennt in Berlin und bin mit Euch hierher gekommen. Weil ich das hier wirklich wollte. Das ist die Wahrheit. Aber… ich liebe sie.“
Und dann weinten sie – beide.
Sabrina wischte sich zuerst die Tränen ab, schnäuzte sich laut.
„Schatz. Mäuschen, bitte – ich verlasse dich doch nicht. Wie kommst du darauf? Das würde ich niemals tun.“
„Ach, komm.“ Lukje schüttelte den Kopf, ihre Stimme klang müde.
„Papa und du seid getrennt, Ela und du haben bereits eine Wohnung gemietet, zu den Sommerferien zieht ihr um … dein Job in der Klinik ist gekündigt. Habe ich was vergessen?“
„Aber ja! Das Wichtigste hast du vergessen.“
Sabrina lächelte – zu schnell. Zu glatt. Als hätte sie den entscheidenden Punkt gerade selbst verstanden.
„Was glaubst du denn von mir? Du kommst natürlich mit. Ich würde dich niemals zurücklassen.“
Erwartungsvoll sah sie ihre Tochter an.
Lukje spürte, wie der Boden unter ihr schwankte. Alles in ihr wurde taub.
„Nein“, sagte sie tonlos.
„Nein! Du kannst mich mal. Zieh mit deiner Freundin wohin du willst – aber ich bleibe hier.
In meinem Zimmer, in unserem Haus. Bei Papa. Bei Jaro. Bei meinen Freunden.“
Doch sie war noch nicht fertig.
„Und Oma und Opa? Wissen die überhaupt schon von deinen Plänen? Von deiner Freundin?“
Ihre Stimme wurde fester.
„Die wollen uns in den Sommerferien besuchen – erinnerst du dich?
Es gibt ein eigenes Zimmer für Omi und Opa. In unserem Zuhause. Selbst die Ausflüge sind schon geplant. Papa hat sich dafür frei genommen.“
Jetzt vibrierte ihre Stimme. Wurde laut.
Lukje, die sonst so stille Lukje, redete sich in Rage.
„Ich habe wegen dir alles verloren. Meine alten Freunde. Mein Zuhause. Nur Elif schreibt noch. Alle anderen haben mich längst vergessen.
Und du meinst, ich mache das noch mal durch? Wegen einer … Ela? Vergiss es.“
Sabrinas Reaktion kam wie ein Peitschenknall:
„Dreh mir nicht die Worte im Mund herum.
Und ich verbiete mir jetzt auch langsam deine Anschuldigungen.
Was denkst du eigentlich von mir? Warum redest du so mit mir? Es reicht mir wirklich mit dir und deinem Vater!“
Einen Moment lang war es still.
Dann riss bei Lukje der letzte Halt:
„RAUS! Das ist mein Zimmer!“
Lukje schob ihre Mutter zur Tür – energisch, zornig, außer sich – und knallte sie hinter ihr zu.
Und dann …
dann weinte sie.
Laut, schluchzend zuerst. Dann, wie erschrocken vor sich selbst, nur noch unterdrückt.
Beinahe lautlos.
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📅 Veröffentlichung: 12.06.2025
📘 ISBN Taschenbuch: 978-3-8192-1225-3
📱 ISBN E-Book: 978-3-8192-5798-8
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